Die häufig improvisierten, traditionellen Lieder sind Spiegel der Kämpfe der Vergangenheit, des Leidens und der Trauer (Abschied, Tod) und des harten Lebens auf der Insel.
Jede Lebensphase hatte ihre eigenen Gesänge: die nanne, die Wiegenlieder für die Kinder oder später dann die sirinati, die Serenaden, die der junge Mann für seine Angebetete sang. Zwei wichtige traditionelle , jahrhundertealte Liedformen sind allerdings verschwunden: die lamenti, die Totenklagen oder auch andere und die voceri, die von in Schwarz gekleideten Klageweibern an der Bahre des der Vendetta zum Opfer gefallenen Toten gesungen wurden. Im Schwinden begriffen sind die chjam’e rispondi, improvisierte Wechselgesänge, die manche Männer zu wahrer Kunst brachten.
Der korsische polyphone Gesang, die paghjella, war und ist der korsische Gesang schlechthin. Ein dreistimmiger Gesang, der Tradition nach von schwarz gekleideten Männern gesungen,
Immer wieder hält sich der eine oder andere Sänger die Hand ans Ohr, um sich ganz auf seine Stimme zu konzentrieren und nicht von der seines Nachbarn "gestört" zu werden. Jede Stimme hat eine ganz bestimmte melodische Linie: die erste, a secunda, gibt den Ton
und die Grundlinie der Melodie an, die zweite übernimmt den ihren Variationen folgenden Bass, a bassa, und die dritte, a terza, höher in der Stimmlage, variiert improvisierend das Grundthema.
Seit gut zehn Jahren kann man eine kräftige Wiederbelebung der polyphonischen Gesänge erleben, die von den jungen Korsen ausgeht. Es ist die uralte mündliche Tradition ihrer Vorfahren, die sich über all die Jahrhunderte hinweg und ungeachtet aller Fremdherrschaft und Unterdrückung hat behaupten können, die den jungen Korsen am Herzen liegt.
Die erste unter den polyphonen Gruppen, die die traditionellen Formen der korsischen Musik wieder aufleben ließen, war Canta u populu corsu , dann kamen I Muvrini, A Filetta, Chjami Aghjalesi oder Caramusa. Und sogar eine aus drei hervorragenden Sängerinnen bestehende Frauengruppe, Soledonna (ehemalige Nouvelles polyphonies corses), konnte sich mit großem Erfolg in der polyphonen Männerdomäne durchsetzen.
So manches alte Musikinstrument, das in Vergessenheit geraten war, wurde wieder entdeckt so die cetera (ein achtsaitiges Zupfinstrument mit birnenförmigem Korpus) oder die pifana oder pivana (aus dem Horn einer Ziege gefertigte bäuerliche Flöte). Einen festen Platz hat die traditionelle Musik und ihre Pflege in den regelmäßigen Veranstaltungen von Festivoce in Pigna in der Balagne gefunden. Botschafter der tradtionellen Musik sind die Muvrini mit den beiden Brüdern Bernardini geworden, die nicht nur regelmäßig auf dem Festland auftreten, sondern auch im Ausland Konzerte geben. Die Gruppe A Filetta mit ihrem charismatischen Sänger Jean-Claude Acquaviva, die in Zusammenarbeit mit U Sveglju Calvese jedes Jahr im September in Calvi ein mehrtägiges Treffen polyphoner Gesänge veranstaltet, zu dem Sänger und Sängerinnen aus der ganzen Welt eingeladen werden.
Aber auch einzelne Sänger wie z.B. Petru Guelfucci haben großen Erfolg im Ausland, in dem Fall in Kanada.